Der Feuerreiter vom Söllereck

Kein Dienstherr behielt den Nepf lange als Knecht, denn der war ein pflichtvergessener Dienstbote und ein übler Tierschinder. Als ihn die Alpmeister auf die Sölleralpe bei Oberstdorf dingten, waren dem Nepf die armen Alptiere ausgeliefert. Wenn sich eine Kuh verläuft und abstürzt, muß sich ein rechter Hirte bemühen, das Stück zu bergen. Jener Bösewicht aber hatte seine Freude an solchem Elend und schaute lachend in den Tobel hinunter, wo die Kuh elendiglich verkam. Besonders schlimm trieb es der Nepf mit den Pferden. Dem schönsten Roß seines Bauern zündete er Mähne und Schwanz an, nachdem er sie mit Binsen durchflochten hatte. Dann jagte er das Pferd über die Weide, bis es verendete. Zwei andere Rösser trieb er in eine Felsspalte, daß sie nimmer herauskonnten. Er ließ nicht zu, daß die anderen Hirten den gequälten Kreaturen zu Hilfe kamen. Schließlich machten die Alpmeister dem Nepf den Prozeß, und er wurde in schwere Strafe genommen. Aber er besserte sich trotzdem nicht. Weil kein Bauer ihn mehr zum Knecht haben wollte, zog der Nepf zuletzt als Bettler durchs Land, bis er starb.

Seine Schuld jedoch war noch nicht abgetragen. Als leuchtendes Geistergerippe, auf einem brennenden Roß, so jagte er oft in Sturmnächten über die Alp. Ununterbrochen schrie er: “Holet d’Roß, holet d’Roß!” Dann verschwand er in jener Felsspalte im Söllereck, in die er einst seine armen Opfer getrieben hatte.

Einige wollten wissen, ein Bregenzer Pater habe nachmals diesen unheimlichen Ort ausgesegnet und die dort herausgeholten Pferdeknochen in geweihter Erde beigesetzt. Die Verwandten des Nepf heißt es, hätten den Bauern den Schaden ersetzt und für die Seelenruhe des Feuerreiters in die Kirche von Mittelberg (Walsertal) ein wächsernes Roß gestiftet. Das habe Dochte zum Anzünden in Mähne und Schweif gehabt und mehr als einen Zentner gewogen.

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